„Seelsorge im Krankenhaus am Rande der High Tech-Medizin“
Der Krankenbesuch eines Geistlichen sollte den Sinn haben, dem Patienten und eventuell auch seinen Angehörigen als Gesprächspartner zur Verfügung zu stehen. Im Gespräch sollte der Patient selbst erkennen können, was ihm hilft und was ihn tröstet. Es kann für einen Kranken bereits schon tröstlich sein, zu erkennen, dass er bei seinem Leiden nicht alleine gelassen wird und dass andere Menschen Worte für das von ihm jetzt Erlebte gefunden haben. Neben den Symptomen und den Beschwerden der akuten Erkrankung ist der „Intensiv- Patient“ mit den Belastungen, die durch die Atmosphäre der Intensivstation hervorgerufen werden, konfrontiert. Diese Belastungen können oftmals in drei Gruppen eingeteilt werden:
– Angst, Panik und Besorgnis
– Erschöpfung, Desorientierung und Verwirrung
– Kommunikationsstörungen
Es ist heute fast an der Tagesordnung, vor allem von den Medien initiiert, dass die Intensivmedizin als eine reine Apparatemedizin verteufelt wird, bei der das Menschliche zu kurz kommt. Wie können solche Vorurteile zustande kommen? Die Angehörige sehen den Kranken umgeben von Apparaten, angeschlossen an Schläuchen, oftmals bewusstlos oder ohne sich äußern zu können. Gerade der Laie wird oftmals von der Technik, die er nicht kennt und versteht, irritiert.
Was sind die Aufgaben der modernen Intensivmedizin? Es ist die Behandlung von akut lebensbedrohlichen Krankheiten und von Unfällen mit modernen Geräten der High Tech-Medizin, mit denen das Versagen lebenswichtiger Organsysteme wie Herz-Kreislauf, Lunge und Nieren behandelt werden können.
Beim Einsatz dieser Geräte sollten nur „besserungsfähige“ Zustände behandelt werden. Vor allem Endzustände chronischer und vor allem von bösartigen Krankheiten sollten nicht behandelt werden, da sie nur zu einer Verlängerung des Sterbens führen.
Selbstbestimmung und eine eindeutige Willensäußerung ist bei Akut- und Schwerstkranken oft nicht möglich. Häufig ist sein Bewusstsein durch die Erkrankung gestört. Viele Patienten ändern gerade in der Not die früher geäußerte Meinung über die Intensiv- und Apparatemedizin.
Die Angehörigen schwanken oftmals zwischen überzogenen Ansprüchen und Resignation. Die Verantwortung bleibt oftmals beim Team der Ärzte und Schwestern. Auch hier kann der Geistliche beim Patienten und seinen Angehörigen bei der Entscheidungsfindung helfen.
Mehrere Untersuchungen ergaben bei der Befragung einer großen Zahl von Intensivpatienten, dass sich diese auf der Intensivstation überwiegend sehr geborgen fühlten und keineswegs so hilflos und unglücklich waren, wie dies oftmals von der Umgebung unterstellt und angenommen wurde. Häufig entstehen im Krankenhaus die Probleme erst dann, wenn der Patient nach Überwindung einer akuten Krise wieder auf eine Allgemeinstation verlegt werden soll und durch Verlust der Dauerüberwachung und Dauerzuwendung die Geborgenheit und Sicherheit verliert.
Die Würde und Achtung des kranken Menschen hängt nicht von den Apparaten ab, sondern vor allem davon, in welcher Weise die alltäglichen Pflege- und Behandlungsmaßnahmen durchgeführt werden. Der Kranke versteht und empfindet meist mehr, als die Umgebung glaubt. Er muss stets als Mensch respektiert werden.
Man muss ihm immer wieder und wieder erklären, wo er ist und welche Verrichtung jetzt ausgeführt wird und vor allem wie die Behandlung weitergehen wird.
Die Anwesenheit der Angehörigen wird, wenn medizinisch vertretbar, erlaubt und gewünscht. Es ist gut, wenn sie bereit sind, den Kranken in kritischen Stunden zu begleiten. Die Humanität auf der Intensivstation hängt auch von der Organisation und damit von materiellen Voraussetzungen ab, die besonders im Personalschlüssel und in den räumlichen Bedingungen zur Auswirkung kommen.
Intensivmedizin und damit die High-Tech-Medizin und die Humanität sind keine Gegensätze. Viele Schwer- und Schwerstkranke werden dank der modernen Intensivmedizin am Leben gehalten oder geheilt. Auch eine sehr eingreifende Behandlung wird vom Patienten fast ausnahmslos als positiv empfunden. Es besteht Einigkeit darüber, dass eine aufwendige und teure Behandlung nur sinnvoll ist, wenn eine vernünftige Erfolgsaussicht besteht. Die Behandlung muss mit der Würde und Selbstbestimmung des Menschen vereinbar sein. Werden diese Grundregeln beachtet verliert die Intensiv- und High-Tech-Medizin ihren Schrecken.
Die Fortschritte der Medizin wären ohne Intensiv- und High-Tech-Medizin undenkbar. Man denke an die Fortschritte der Organtransplantation, welche zu einem etablierten Bestandteil unserer gegenwärtigen Medizin geworden sind.
Einige Probleme in der Transplantationsmedizin werden durch folgende Schlagworte verdeutlicht: Hirntodfeststellung, Organentnahme, Organverteilung, Lebend- und Leichenspende. Weitere Probleme der Modernen Medizin finden sich vor allem in der Geburtshilfe.
Ein Miteinander von Ärzten, Schwestern, Geistlichen und moderner Technik ermöglicht vielen Patienten, kritische Situationen einer Erkrankung durch Mobilisierung körperlicher und seelischer Reserven zu meistern.
Daher sollten in einem modernen Akutkrankenhaus im Interesse der Patienten ein stetiger Dialog zwischen Ärzten, Pflegepersonal und Geistlichen stattfinden, wie es hier am Biberacher Kreiskrankenhaus meistens stattfindet.