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Schwäbische Zeitung – 11.07.2012
Friedrich Lechner hat über 30 Jahre als Klinik- und Polizeiseelsorger gearbeitet. Sz-Foto: Vera DudikPfarrer Lechner Patientenfürsprecher_img_1

„Seelsorge ist Vertrauenssache“
Der Klinik- und Polizeiseelsorger Friedrich Lechner wird verabschiedet – Von Vera Dudik
Biberach – „Jeder ist der Seelsorger seines Nächsten.“ So beschreibt Friedrich Lechner, evangelischer Klinik- und Polizeiseelsorger in Biberach, das Verständnis von Seelsorge durch die Bibel. Der evangelische Seelsorger beendet nun nach rund 30 Jahren seine aktive Tätigkeit in Krankenhaus, Polizeischule und Hospiz, wo er nach diesem Credo tätig war. Wobei Lechner es nicht als Tätigkeit beschreibt: „Es geht in erster Linie nicht darum, etwas zu ‚machen‘. Man muss einfach da sein, zuhören und Geduld haben.“
Auch das Wort „Erfolg“ benutzt er nach dieser langen Zeit als Begleiter von Kranken, Sterbenden und deren Angehörigen nicht gern. Das würde die direkte, positive Folge auf eine Handlung beinhalten. Genau diese sei beim Wirken als Seelsorger aber eher selten gegeben. Dennoch würde sich Lechner, der vergangenen Sonntag offiziell verabschiedet wurde, immer wieder für seinen Beruf entscheiden. Dass er Pfarrer, Klinik- und Polizeiseelsorger und Mitinitiator der Notfallseelsorge in Biberach wurde, sei jedoch mehr in einer Art „Schneeballprinzip“ entstanden: „Als Kind wollte ich Elektriker werden“, erklärt Friedrich Lechner. In der Familie seien sie acht Kinder gewesen, da hätte er gewissermaßen zwangsläufig oft zuhören und für andere da sein müssen. Die Entscheidung, Pfarrer zu werden, sei für ihn aber erst nach einem persönlichen Trauerfall gefallen.
Bis 1978 war er in der evangelischen Gemeinde in Königsbronn tätig, kann dann im September 1978 nach Biberach und betreute als Seelsorger die Nordöstliche Diaspora. 1983 ist er in Biberach an das damalig neue Krankenhaus gekommen,
2001 wurde er Polizeiseelsorger. „Ich wollte mehr direkten Kontakt mit den Menschen. Zu einem Pfarrer kommen die Wenigsten, die wirklich Hilfe gebrauchen können“, begründet Lechner seinen Schritt, neben einem katholischen Kollegen Klinikseelsorger zu werden.
Direkten Kontakt habe er in der Tat oft und intensiv gehabt. „Es nützt nichts, vom Wetter zu faseln. Das kann man mit jedem. Ich will da sein, zuhören, Trost spenden. Nur so können auch tiefere Gespräche entstehen“, sagt Lechner zu seiner Intention. Um das Eis zu brechen, sei für ihn vor allem Humor wichtig gewesen – und die Fähigkeit, unbedarft auf einen Menschen zu treffen, dessen Krankengeschichte man unter Umständen gut kennt.
Ein Seelsorger muss geduldig sein
Friedrich Lechner weiß, dass „Seelsorge Vertrauenssache ist“. Daher habe er immer versucht, anderen als Mensch zu begegnen, ihnen auch von sich erzählt und sie in ihren Ansichten ernst genommen: „Konfessionen spielen da für mich keine Rolle, ich habe nie versucht, jemanden zu etwas zu überreden. Was immer den Menschen in ihrer schwierigen Lage Halt gibt, ist gut.“
Aber auch der Seelsorger selbst muss nach Lechners Erfahrung einen festen Stand haben, um andere im Leid überhaupt begleiten zu können: „Die Seelsorge ist ein Geben und Nehmen. Manchmal muss man jedoch lange warten, bis etwas zurückkommt.“ Dies könnte mit der übertriebenen Erwartungshaltung zusammenhängen, mit der einige Kranke einem Seelsorger wie ihm begegneten. „Ich habe keine magischen Fähigkeiten, nach einem Besuch von mir ist nicht wieder alles gut“, macht Lechner deutlich. Es sei für ihn nicht immer leicht gewesen, dem gerecht zu werden. „Wenn ich gemerkt habe, dass ich nicht mehr genug Power für einen Besuch habe, bin ich lieber am nächsten Tag wieder gekommen.“ Die Fähigkeit, sich zurückzunehmen und sich nicht zu sehr beanspruchen zu lassen, habe er sich mit den Jahren erst antrainieren müssen.
Darauf, über seine Zeit frei verfügen zu können und sie mehr für seine Frau und sich selbst aufzuwenden, freut sich der passionierte Computerfan nun am meisten. Aber auch im Ruhestand wird Friedrich Lechner sicher nicht langweilig werden: „Ich werde erst nach angemessener Pause im Kirchenbezirk zu den Themen Krankheit, Leid, Sterben und Trauer zur Verfügung stehen. Oder wenn es klemmt, Vertretung übernehmen.“ Seelsorger bliebe man zudem ein Leben lang: „Die Seele geht ja nicht in den Ruhestand.“

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